Plyometrisches Training (Maximale Power)
Aktualisiert: 4. Nov. 2022

PLYOMETRISCHES TRAINING
Plyometrisches Training – oder kurz Plyo – ist eine Trainingsmethode des Schnellkrafttrainings. Sie konzentriert sich darauf, die Power einer Bewegung zu verbessern. Maximale Kraft soll in minimaler Zeit erzeugt werden. Ein Torhüter beispielsweise kann durch plyometrisches Training auch den letzten Ball noch aus der Ecke fischen. Was genau es mit Plyo auf sich hat und wie das Ganze funktioniert, erfährst du in diesem Beitrag.
Was bedeutet plyometrisch?
Der Begriff Plyometrics/plyometrisch stammt aus dem Altgriechischen. Pleiôn bedeutet so viel wie „steigern/erhöhen”, metreô so viel wie „messen”. Plyometrisches Training ist daher, frei übersetzt, ein Training, das etwas (eine Bewegung) messbar verstärkt. Oder anders gesagt: Mit Plyo gibst du deinen Sprüngen, Würfen und Schlägen mehr Power.
Power = Kraft / Zeit
Woher kommt plyometrisches Training?
Entwickelt wurde plyometrisches Training in den späten 1960er Jahren der ehemaligen Sowjetunion. Dr. Yuri Verkhoshansky, ein Sportwissenschaftler und -trainer, gilt als Begründer der Methode. Er nannte sie „The Shock Method”.
Mit dem US-amerikanischen Langstreckenläufer Fred Wilt wurde aus der Schockmethode wenig später dann “Plyometrics”. Wilt hatte die Sowjets bei Verkhoshanskys Übungen beobachtet und war davon überzeugt, hierin eine Antwort auf die Frage gefunden zu haben, die ihn schon lange quälte: „Warum sind die Athleten der UdSSR einfach immer schneller als wir?”
Warum solltest du plyometrische Übungen in dein Training einbauen?
Willst du deine Kraft besser nutzen können, solltest auch du plyometrisch trainieren. Was bringt es dir als Boxer stark zu sein, wenn du keine harten, explosiven Schläge abfeuern kannst? Was nützt es dir als Basketballer 180 Kilo Kniebeugen zu können, wenn du nicht hoch springen kannst?
Plyometrische Übungen gehören deshalb fest in die Trainingsroutine aller ambitionierten Athleten, die Explosivität in ihren Bewegungen brauchen. Jedoch ist Plyo durch seine Intensität keine ideale Trainingsmethode für Beginner.
Zu den Sportlern, die von plyometrischem Training profitieren können, zählen:
Kampfsportler (z. B. Boxer, MMA-Kämpfer, Muay Thai Figther)
Spielsportler (z. B. Basketballer, Fußballer, Handballer und Tennisspieler)
Leichtathleten (z. B. Weitspringer, Hochspringer, Sprinter und Langstreckenläufer)
Und viele weitere Disziplinen.
Was trainiert plyometrisches Training?
Mit plyometrischem Training trainierst du deine Reaktivkraft, eine besondere Form der Schnellkraft.
Durch die Übungen schulst du deinen Körper darin, während bestimmten Bewegungen auf einen machtvollen Mechanismus zurückzugreifen: den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ). Dieser ist leistungspotenzierend und bewirkt, dass du eine Bewegung mit mehr Wucht ausführen kannst. Man spricht auch von Reaktivkraft. Das ist die Fähigkeit, einen möglichst hohen Kraftstoß im DVZ zu erzeugen.
Plyo Training schult deinen Körper aber nicht nur in der Nutzung des DVZ. Mit der Übung wird der DVZ auch stärker. Deine Muskeln und Sehnen sind dann in der Lage, mehr passiv-elastische Energie zu speichern und diese schnell und effektiv von der exzentrischen auf die konzentrische Bewegungsphase zu übertragen.
Athleten, die plyometrisch trainieren, gewinnen an Kraft und Muskelmasse, können höher und weiter springen und schneller sprinten. Zusätzlich stärkt plyometrisches Training Sehnen und fasziales Gewebe innerhalb der Muskeln, wodurch die Verletzungsanfälligkeit sinkt.
Exkurs: Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus
Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (Englisch: Stretch Shortening Cycle, SSC) beschreibt die muskuläre Arbeitsweise, wenn ein Muskel erst exzentrisch gedehnt und unmittelbar im Anschluss verkürzt (kontrahiert) wird. Innerhalb dieses Zyklus greifen mehrere Mechanismen ineinander. Zusammen bewirken sie, dass die konzentrische (verkürzende) Bewegung kraftvoller ausgeführt werden kann, als ohne vorangestellte aktive Dehnung.
Was macht den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus so mächtig?
Um Plyometrie effektiv anwenden zu können, sollte man die Basics verstanden haben. Das heißt: Was passiert eigentlich beim Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus? Nun, ganz geklärt, ist das bis heute nicht. Sportwissenschaftler sind sich aber einig, dass es mehrere Mechanismen sein müssen und diese Hand in Hand gehen.
Nachfolgend erklären wir dir die drei bekanntesten und vielleicht wichtigsten Mechanismen.
Mechanismus 1: Der Dehnungsreflex
Durch die Dehnung kann – wenn sie dynamisch genug durchgeführt wird – im Muskel ein sogenannter Dehnungsreflex ausgelöst werden. Einen Dehnungsreflex kennen wir alle: den Kniesehnenreflex. Der Arzt haut mit seinem Hämmerchen auf die Patellasehne und das Bein streckt sich im Kniegelenk.
Was ist hier passiert? Durch den Schlag auf die Patellasehne wird kurzzeitig der Quadrizeps (Beinstrecker) gedehnt. Dieser ist nämlich mit der Patellasehne verbunden, beziehungsweise: Die Patellasehne ist die Fortführung des Quadrizeps.
Blitzschnell registriert unser Körper diese Dehnung und startet in höchster Eile ein Notfallprogramm. Um den Quadrizeps vor Überdehnung zu schützen, wird umgehend eine Kontraktion des Muskels eingeleitet. Der Beinstrecker zieht sich zusammen und der Unterschenkel schnellt hoch.
Genau das passiert auch in allen anderen Muskeln, wenn sie einen solchen “Shock” erfahren. Im Falle eines Depth Jumps (Niedersprungs) ist dieser Shock kein Schlag, sonders das Aufkommen auf dem Boden. Die sich zu ihrer eigenen Sicherheit kontrahierende Muskulatur ist nicht der Quadrizeps, sondern die gesamte Wadenmuskulatur (M. triceps surae).